Die Byzantiner haben nach der Zerstückelung des verhaßten
Andronikos Kaiser, Isaak II. (1185-1195, 1203-1204), einen Sohn des vornehmen
Geschlechts der Angeloi (Engel des Himmels) begrüßt. Mit ihm kehrte das Regime
des Feudaladels der Zeit vor Andronikos zurück, zurück auch die Korruption der
Verwaltung. Der Spielraum der byzantinischen Politik war weithin eingeschränkt:
Byzanz stellte keine agierende Macht,
sondern nur noch einen reagierenden, kraftlosen
Kleinstaat dar. Im jahre 1185 machen sich die Bulgaren über die Revolte der
Brüder Peter und Asen unabhängig; wenig später wird in Trnovo Asen zum Zaren
gekront. Aus der militärischen Schwäche der Byzantiner ziehen auch die Serben
Nutzen und erweitern ihren Einflußbereich um vormalig byzantinische Besitzungen.
Hingegen vermag Isaak die Normannengefahr, die den Sturz Andronikos' I. herbeigeführt
hatte, mit Siegen bei Mosynopolis und Dimitrica endgültig zu bannen. Thessalonike,
wenig spater Dyrrhachion und Korfu gelangen wieder in byzantinischen Besitz.
Im Sommer des jahres 1189 durchqueren die Heerscharen des Dritten Kreuzzuges
den Balkan und besetzen die byzantinischen Stadte Philippopel und Adrianopel,
ehe es zu einer Übereinkunft kommt, durch die Kaiser Isaak sich zur Verproviantierung
und Überfuhr der Kreuzfahrer über den Bosporus nach Kleinasien bereit erklärt.
Die Lähmung der Byzantiner durch die Kreuzfahrer bildete für Serben und Bulgaren
ein Signal, über die Städte Makedoniens und über Sofia herzufallen; vermochte
Isaak die Serben zu zügeln, so endeten die Feldzüge der jahre 1190 bis 1194
gegen die Bulgaren mit Mißerfolgen. 1m Frühjahr 1195 wird Kaiser Isaak von seinem Bruder Alexios (III.)
gesturzt und geblendet. Isaak gelangt noch einmal zur Herrschaft, als sein Sohn aus dem Verlies,
das er mit seinem Vater teilte, zu entkommen vermag und mit Unterstützung abendländischer
Kreuzfahrer im Juli 1203 als Alexios IV. auf den Thron erhoben wird. Seine lateinerfreundliche
Politik führt indes schon im Jahre 1204 zu einer Revolte in der Hauptstadt, die Alexios IV. und
Isaak urn die Herrschaft bringt.
Isaak II. hat es nicht an ernsthaftem politischen Willen gefehlt; doch blieb das Reich
militärisch und finanziell erschopft. Angesichts der Vorherrschaft des Großgrundbesitzes und
reicher steuerlicher Privilegierung von Kirche und Klostern war dem geschrumpften Reiche die
unentbehrliche Rekonsolidierung nicht abzugewinnen. Der innere Verfall zeichnet sich nicht
zuletzt in der Auflosung der alten byzantinischen Provinzen in Kleinstthemen ab. Zwei Jahrzehnte
nach dem Tode des mächtigen Manuel wartete der kraftlose Rumpf des griechischen Kaiserreiches nur
noch auf den Zugriff eines entschlossenen Eroberers.
In der Person Innozenz' III. hatte im Jahre 1198 eine entschieden machtpolitisch
orientierte Personlichkeit den Stuhl Petri bestiegen. Der Papst belebte die abendländische
Kreuzzugsbewegung zu einem Zeitpunkt, da die christlichen Eroberungen des 11. und 12. Jh. im
Orient im Gefolge der Kriegszüge des Kalifen Saladin verlorengegangen waren. Anders als
anderthalb Jahrzehnte zuvor unter Kaiser Friedrich I. waren es indes dicsmal die Realpolitiker,
die in dem sich in Venedig sammelnden Heeresaufgebot den Ton angaben: es war der große
venezianische Doge Enrico Dandolo, der mit genialem Weitblick erkannte, daß sich für die Republik
Venedig eine Sternstunde ihrer Geschichte bot.
Ein unwiederbringlicher Zeitpunkt schien gekommen,
urn nicht nur in Dalmatien fur die Venezianer wichtige Häfen in Besitz zu nehmen, sondern darüber
hinaus als Zwischenbastion auf dem Wege zu den Märkten des Orients ein venezianisch-abendlandisches
Kaiserreich an den Smwarzmeerengen zu grunden. Angesichts der Unsicherheit der balkanischen Landrouten
waren die westlichen Kreuzfahrer auf den Transport durch die venezianische Flotte angewiesen.
Venedig konnte so über die Seeroute des Kreuzfahrerheeres entscheidend bestimmen. Umsonst hat sich
Papst Innozenz III. einem Mißbrauch der Kreuzzugsidee widersetzt.
Man fuhr der dalmatischen Küste entlang (Herbst 1202) und besetzte zunächst die bis dahin vom ungarischen
Konigreich abhängige Küstenstadt Zara. Die Bitte des byzantinischen Prinzen Alexios, des Sohnes des
inhaftierten Kaisers Isaak, urn Befreiung seines Vaters, die dem deutschen Thronprätendenten Philipp von
Schwaben vorgetragen und gleichzeitig auch dem Kreuzzugsheer nam Zara überbracht wurde, schien ein
willkommener Vorwand, statt ins Heilige Land gegen das schismatische Konstantinopel weiterzusegeln.
Im Sommer 1203 langte man vor der griechischen Kaiserstadt an, eroberte binnen kurzem Galata und sah sich
schon am 17. Juli 1203 im Besitz Konstantinopels.
Der regierende Kaiser, Alexios III., hatte sich durch die Flucht in Sicherheit gebracht, Isaak II. wurde
als Kaiser wiedereingesetzt, sein Sohn Alexios, der für die Eroberung der Hauptstadt im Abendland geworben
hatte, als Alexios IV. zum Mitkaiser erhoben.
Byzantinische Herrscher regierten fortan von des Abendlands Gnaden. Die Kreuzfahrer, die vor der
Hauptstadt lagerten, beobachteten argwohnisch alle Entscheidungen des Hofes. Alexios IV. vermochte
die in Zara und später auf Korfu versprochenen Zahlungen an die Abendländer nicht zu gewährleisten:
die griechische Bevolkerung revoltierte gegen die unerträgliche Steuerlast. In dem Aufstand verlor
Alexios IV. Thron und Leben: Kaiser Isaak II., erneut in Haft, fand bald danach den Tod.
Die Antilateinerpartei der Hauptstadt erhob in der Person Alexios' V. einen Schwiegersohn des von
den Abendlandern gestürzten Kaisers Alexios III. zum Herrscher. Die neue Entwicklung war für die
Abendländer das Signal zu einem erneuten Anschlag auf Konstantinopel. Noch ehe man zum Sturm auf
die Mauern ansetzte, war die Teilung des byzantinismen Reiches und seiner Hauptstadt unter die
Eroberer beschlossene Sache. Am 13. April 1204 zogen die Kreuzfahrer zum zweiten Male in der
Kaiserstadt ein: mehrtägigem Rauben und Plündern fielen unersetzliche Kunstschätze zum Opfer. Das
Gros der geraubten Kleinodien und Habseligkeiten nahm den Weg nach Venedig. Niketas Choniates,
ein griechischer Zeitgenosse, hat in seinem Buch 'Uber die Bauten' das Blutbad von Konstantinopel und
die Vernichtung seiner Prunkdenkmäler in ergreifenden Worten festgehalten. Eine ruhmvolle,
annähernd 900jährige, glanzvolle Epoche griechischer Kaiserherrschaft war zu Ende gegangen.
Bibliographie